Freitag, 26. Oktober 2007
Going loco down in...Bolivia
Naja, "down in Bolivia" stimmt nicht so ganz. Hier ist alles so verdammt hoch, dass man nach 30 Minuten Rumlaufen eine Pause braucht und abends nach 2 Bier schon total betrunken ist.

Dafuer stimmt "loco" umso mehr, denn Bolivien ist mit Abstand das verrueckteste Land, in dem ich bisher war. Schon der Grenzuebergang war sehr abenteuerlich. Von Salta in Argentinien haben wir einen Bus in ein kleines Kaff an der Grenze genommen. An der Busstation mussten wir wortwoertlich fragen "Wo bitte gehts denn nach Bolivien?". Ah, ok, 3 Blocks die Strasse runter und dann ueber die Bruecke. Also losmarschiert mit Sack und Pack. Der Grenzuebergang war so unspektakulaer, dass ich gerade deswegen ein Foto machen musste. Das mochten die Grenzposten aber nicht wirklich und so waere ich nach 3 Minuten Aufenthalt in Bolivien schon fast im Gefaengnis gelandet. Die hatten wohl Angst, dass ich ein Drogenkurier bin, der die Grenze ausspionieren will. Aber mal ehrlich, wer will schon Drogen nach Bolivien REIN schmuggeln? Das Zeug waechst doch hier ueberall am Strassenrand. Naja, ich bin noch auf freiem Fuss und das Foto habe ich auch.

Unsere erste Nacht in Bolivien haben wir dann auf schlappen 2.900 Metern in Tupiza verbracht. Das war aber noch gar nix im Vergleich zu den naechsten Tagen. Von Tupiza ist unsere 4-Tagestour im Jeep durch die Staub- und Salzwuesten nach Uyuni gestartet. Diese 4 Tage waren unglaublich und definitiv ein Highlight in Suedamerika. Man muss sich das mal vorstellen: 4 Tage zu sechst in einem engen Jeep, durch menschenleere staubige Gegenden, staendig ein Duft von Lama-Kacke in der Luft, tagsueber bruetend heiss, abends schweinekalt, Betten aus Stein oder Salz, keine Duschen und 2 Stunden Elektrizitaet am Abend. Klingt doch verlockend, oder?

Nein, im Ernst, diese Tour war wirklich super und wir wussten ja vorher, was uns erwartet. Haben auf bis zu 4.700m geschlafen und stinkende Geysire auf schlappen 5.000m bestaunt. Da hat einen das eine Glas Rotwein am Abend schonmal aus den Socken gehauen. Aber unser Guide hatte ja die Loesung fuer unsere Hoehenprobleme parat: einfach den ganzen Tag auf Coca-Blaettern rumkauen und Coca-Tee trinken. Ist viel gesuender, als das Zeug durch die Nase zu ziehen ;-)
Das machen jedenfalls die Einheimischen und es hat wirklich geholfen. Wuerde gerne ein paar Blaetter mit nach Hause bringen, aber ich weiss nicht, was der deutsche Zoll dazu sagt.

Am letzten Tag haben wir dann endlich den Salar de Uyuni erreicht, eine riesige Salzwueste. Waren sogar puenktlich zum Sonnenaufgang um 5.30 Uhr da. Da man weit und breit nur Salz und weiss sieht, kann man lustige Illusionen mit der Digitalkamera machen, was wir dann zum Kopfschuetteln unseres Guides direkt mal fuer 2 Stunden probieren mussten.

Nach 4 Tagen in der Einoede waren wir dann sehr froh, in der Hauptstadt La Paz anzukommen. Momentan reise ich uebrigens mit 5 anderen Backpackern, genauer 3 Englaendern und 2 Maedels aus Muenchen. Die Rueckkehr in die Zivilisation haben wir dann 3 Tage lang mit Bier, dem Rugby-World Cup-Finale und einer Toga-Party gefeiert.

Nach 3 Tagen brauchten wir aber etwas Abwechslung und zufaellig startet hier in La Paz "die gefaehrlichste Strasse der Welt". Kein Scherz, sie ist sogar im Guiness Buch der Rekorde! Jaehrlich sterben hier im Schnitt 120 Leute bei Verkehrsunfaellen. Die Strasse ist sehr eng, besteht zu 70 Prozent aus Schotter und fuehrt von 4.700m runter auf 1.200m, was dafuer sorgt, dass relativ haeufig Autos einfach die Klippe hinab stuerzen. Natuerlich gibt es hier keine Leitplanken, ist ja schliesslich Bolivien. Und vielleicht spielt es auch eine klitzekleine Rolle, dass viele Bolivianer betrunken oder ohne Licht (oder beides) Auto fahren.

Autofahren wollten wir auf dieser Strasse dann lieber nicht, aber gluecklicherweise kann man da auch mit dem Mountainbike runter! Bei dieser Tour sind bis jetzt nur 11 Menschen gestorben und wenn man ueberlebt, bekommt man ein "Survivor"-Shirt. Letzteres hat uns dann ueberzeugt ;-)

Nach einem ruhigen Sonntagabend sind wir also Montag morgen zu dieser gemuetlichen Radtour gestartet. Um das Ganze noch spannender zu machen, hat stroemender Regen die Schotterstrasse in eine Schlammpiste verwandelt. Unser Guide war relativ deutlich: "Ihr muesst auf der linken Seite der Strasse am Abgrund fahren, damit die Autos auf der sicheren Bergseite ueberholen koennen und Platz fuer den Gegenverkehr ist. Das bedeutet, wenn ihr einen Fehler macht, geht ihr wahrscheinlich ueber die Klippe und dann seid ihr wahrscheinlich tot". Was fuer aufmunternde Worte so frueh am Morgen! Naja, um es kurz zu machen: Wir haben alle ueberlebt und hatten noch nicht einmal einen Sturz (im Gegensatz zu anderen Gruppen). War dann auch gar nicht so gefaehrlich, wie es klingt. Es war naemlich kaum Verkehr und daher hatten wir fast immer die ganze Strasse fuer uns. Und das T-Shirt sieht wirklich gut aus ;-)

Was wir nicht bedacht haben, war allerdings die Tatsache, dass man nach 64km bergab ja auch irgendwie wieder hochfahren muss. Also haben wir die gleiche Strecke dann noch einmal im Tourbus zurueckgelegt und mussten somit doch auf dieser Strasse Auto fahren. Der Bus hatte nach halber Strecke dann auch direkt eine Panne und wir steckten fuer 2,5 Stunden fest. Das gab uns aber genug Zeit, um die ganzen Kreuze und Autowracks in bis zu 600m Tiefe mal genauer zu betrachten, unheimlich...

Von La Paz ging es dann nach Copacabana. Nein, nicht der Strand in Brasilien, sondern die Stadt am Titicaca-See. Nach einer Titicaca-Forelle zum Dinner habe ich den Namen dann zu woertlich genommen und zum ersten Mal auf meiner Reise Magenprobleme bekommen. Aber das war in Bolivien ja irgendwie zu erwarten. Perfekter Zeitpunkt allerdings, mit einer 12stuendigen Busfahrt nach Cuzco/Peru vor der Brust.

Wie auch immer, ich habe die Busfahrt gut ueberstanden und unsere kleine Reisegruppe ist heil in Cuzco angekommen. Heute abend treffe ich mich zum letzten Mal mit James und Danielle aus England zum Dinner. Nach Malaysia, Singapur, Neuseeland und Chile ist Peru jetzt das fuenfte Land, in dem wir mehr oder weniger zufaellig zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind, verrueckt. Mit den beiden bin ich inzwischen richtig gut befreundet und im Laufe der Monate habe ich auch schon Danielles halbe Familie zwischen Asien und Suedamerika kennengelernt. Sie planen schon ihren Besuch in Deutschland zu meinem aehh...21sten Geburtstag.

So, das war mal wieder mehr als genug, um euch alle beim Lesen furchtbar zu langweilen. Aber keine Angst, in 3 Wochen bin ich wieder zuhause und dann kann ich euch von Auge zu Auge noch viel mehr mit den immer gleichen Geschichten und ca. 5000 Fotos nerven ;-)

DIE peruanische Spezialitaet zum Dinner ist uebrigens Meerschweinchen. Das wird hier komplett mit Kopf und allem serviert, sehr interessant. Werde es auf jeden Fall probieren aber nach meinen Magenproblemen ist das heute wahrscheinlich keine gute Idee. Ausser natuerlich, ich finde ein Restaurant mit Jaegermeister (das alte Thema ;-), dann vertrage ich alles...

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